Ein klein bisschen erinnerte die Szene an einen Hollywood-Thriller: Polizeifahrzeuge stehen auf dem Gelände der Goetheschule. Uniformierte in schusssicheren Westen beobachten das Gelände. Dann taucht eine schwarze, amerikanische Limousine mit getönten Scheiben auf, biegt langsam auf den Parkplatz des Gymnasiums ein und hält vor dem Seiteneingang. Zwei junge Männer mit schwarzen Anzügen, ernsten Mienen und Sonnebrillen springen heraus, und als einer von ihnen die Tür im Fond des Fahrzeugs öffnet, wird klar, worum es hier geht: Der Mann, der nun aussteigt, ist Kevin C. Milas, US-Generalkonsul in Frankfurt. An diesem Mittwochvormittag, dem 6. Mai, ist er gemeinsam mit seiner französischen Amtskollegin Sophie Laszlo am Wetzlarer Oberstufengymnasium zu Gast.

Anlass des hohen Besuchs war der erste europäische Jugendworkshop, den die überparteiliche Europa-Union Lahn-Dill gemeinsam mit dem Kulturamt der Stadt Wetzlar und der Goetheschule organisiert hat. Sven Ringsdorf, Vorsitzender der Europa Union Lahn Dill, hatte den Kontakt zu den beiden Generalkonsuln hergestellt. Eineinhalb Stundenlang stellten sich die Berufsdiplomaten in einer von Ringsdorf moderierten Podiumsdiskussion den Fragen der Goetheschüler. Auch Wetzlars Oberbürgermeister Wolfram Dette sowie Stadträtin Sigrid Kornmann waren zu der Veranstaltung gekommen.

In der Diskussion mit den Schülern erwiesen sich die beiden Gäste als diplomatisch-charmante Gesprächspartner, was sich bereits bei der Suche nach der richtigen Sprache zeigte. Laszlo begann ihre Ausführungen auf Deutsch, wechselte später dann doch ins Englische. Auch Milas begrüßte die Schüler auf Deutsch und bedankte sich für die Einladung, fuhr dann aber ebenfalls auf Englisch fort.

Im Gespräch ging es um Frieden und Freiheit und deren Bewahrung gegenüber Tendenzen wie Extremismus und Nationalismus. Laszlo bezeichnete 70 Jahre Frieden in Europa als „wunderbar“ und betonte all das, was in dieser Zeit erreicht worden sei: der Abbau von Grenzen, eine gemeinsame Währung sowie erste Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik. Allerdings verwies sie auch auf Ängste – vor sinkendem Lebensstandard, vor Veränderungen in der Welt, vor Radikalismus – die es gemeinsam zu überwinden gelte. Sie bezeichnete die Schüler als die dritte Generation von Europäern und betonte: „Sie haben einen Teil der Antworten.“

Auch Milas sprach von verschiedenen Generationen und deren Beitrag zur heutigen Welt. Die Schüler hätten eine Welt übernommen, die ihre Eltern und Großeltern gestalteten, sagte er und nannte das „a bad deal“ – ein schlechtes Geschäft. Zur Erklärung verwies er auf gewaltsame Konflikte auch in Europa, auf den Konflikt zwischen dem Islam und der Moderne, auf Wirtschaftskrisen, das Flüchtlingsproblem und den Klimawandel. Vergleiche man die Welt aber mit der der vorherigen Generationen, so erkenne man, dass auch diese mit Problemen zu kämpfen hatte: Dem Konflikt mit der Sowjetunion inklusive der nuklearen Bedrohung, Hungersnöten in Afrika, Rassentrennung in den USA oder Südafrika und nicht zuletzt zwei Weltkriegen. Seine Schlussfolgerung war, dass jede Generation ein schlechtes Geschäft mache – einfach weil diese Welt eine reale Welt sei. Als Amerikaner sei er aber Optimist und erkenne Verbesserungen von Generation zu Generation. Die Welt sei noch nicht perfekt, sie – die Schüler – hätten aber die Möglichkeit daran zu arbeiten.

Im Verlauf der Diskussion konfrontierten die Goetheschüler die beiden hohen Gäste mit Fragen, die sie für diese Gelegenheit vorbereitet hatten. So äußerte sich die französische Generalkonsulin etwa zu den unterschiedlichen Wünschen und Träumen von deutschen und französischen Jugendlichen. Milas gelang es als Berufsdiplomat leicht, die Frage nach seiner Haltung zur NSA-Spionageaffäre elegant zu beantworten. Alle Nationen sammelten geheimdienstliche Information, erklärte er. Entscheidend seien die Unterschiede in der Verwendung – etwas zur Unterdrückung der Bevölkerung oder um Sicherheit und Frieden für alle zu gewährleisten. Dabei verwies er auch auf die kürzlich verhinderten Terroranschläge im Zusammenhang mit dem Frankfurter Radrennen.

Während Sophie Laszlo sich schon etwas früher zum nächsten Termin verabschiedete, blieb Kevin C. Milas sogar noch zum Mittagessen am Schulzentrum – selbstverständlich erst, nachdem die Polizei die Sicherheit der Räumlichkeiten überprüft hatten. Am frühen Nachmittag zogen die Einsatzkräfte dann wieder ab, der schwarze Cadillac mit dem amerikanischen Generalkonsul rollte vom Hof. Der Tag an der Wetzlarer Goetheschule ging wieder seinen gewohnten Gang.          

 

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1:     Dr. Carsten Scherließ (rechts), Schulleiter der Goetheschule, begrüßte den amerikanischen Generalkonsul Kevin C. Milas (links) am Oberstufengymnasium. Sven Ringsdorf (Mitte) hatte den Kontakt hergestellt.

2:    Eineinhalb Stunden lang stellten sich die Generalkonsuln Kevin C. Milas  und Sophie Laszlo den Fragen der Goetheschüler.

3:    Sicherheitskräfte und schwarze Limousine – ein ungewohntes Bild an der Wetzlarer Goetheschule.

4:    Die Schüler konfrontierten die Generalkonsuln auch mit unbequemen Fragen, etwa zur NSA-Spionage-Affäre.