Es ist exakt 12.08 Uhr Ortszeit am Freitagmittag, 30. Mai, als Projekt „Goethe-Stratos" vom Startgelände im Stadion am Schulzentrum abhebt. Rasant steigt der Wetterballon in den grau-verregneten Himmel über Wetzlar. Rund 30 Zuschauer starren dem weißen Ball mit der angehängten Forschungskapsel hinterher, sehen, wie er von den Windböen gebeutelt wird, bis er wenige Minuten später zwischen den trüben Wolken nicht mehr zu erkennen ist.

Eineinhalb Jahre lang haben Fabian Tripkewitz, Jonas Faber, Jan Fotakis, Frederik Otto, Sarah Wojcik und Jana Vollmer, Schüler des Physik-Leistungskurses an der Goetheschüler, unter Anleitung ihres Lehrers Patrick Löffler an dem Projekt gearbeitet. Auf seiner Reise sammelte der Wetterballon eifrig Daten: Temperatur, Druck, Position, aber auch die Höhenstrahlung zeichneten verschiedene Sensoren auf, eine 32 Gigabyte Speicherkarte speicherte die Informationen. Die Daten wollen die Schüler später auswerten, und so zum Beispiel Erkenntnisse über den Einfluss von Höhenstrahlung auf Piloten erhalten.

Laut Plan sollte der mit Helium gefüllte Wetterballon innerhalb von etwa 90 Minuten auf eine Höhe von 30,5 Kilometern aufsteigen. Dort oben herrschen Temperaturen von bis zu Minus 50 Grad, weshalb die Messinstrumente im angehängten Modul durch ein spezielles Styroporgehäuse geschützt werden mussten. Auch spezielle Batterien, die Temperaturen bis Minus 30 Grad Stand halten sollen, kamen zum Einsatz. Der Wetterballon war ebenfalls mit einer HD-Kamera bestückt, die die Firma Replay XD den Schülern spendiert hatte. Spektakuläre Bilder erhoffte sich die Hobby-Forschungsgruppe von der Kamera, denn wie Jan Fotakis erklärte: In 30 Kilometern Höhe sieht man die Krümmung der Erde und das blaue Schimmern der Reflektion der Atmosphäre.

Die Idee zu dem Projekt entstand, als Patrick Löffler seinen Schülern ein ähnliches Unterfangen vorstellte: Studenten des renommierten amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) hatten einen mit einer Kamera bestückten Ballon in die Stratosphäre geschickt. „Das wollen wir auch machen – bloß besser!", sagten sich die sechs Goetheschüler und statten ihren Wetterballon mit zusätzlichen Messinstrumenten aus. Schnell waren die Aufgaben verteilt und die Arbeit begann: Software entwickeln, Platinen löten, Sponsoren finden – all das machten die Schüler weitgehend selbständig und neben dem herkömmlichen Unterricht. Finanzielle Unterstützung erhielten sie von der Wetzlarer Wohnungsgesellschaft (WWG) und dem Wetzlarer Bauunternehmen ATR.

Der Ehrgeiz der Gruppe war es auch, ihr Projekt mit möglichst geringem Budget umzusetzen. Der gesamte, etwa ein Kilo schwere Wetterballon mitsamt allen Instrumenten kostete letztlich nicht mehr als rund 800 Euro – und das, obwohl beispielsweise ein spezieller Latex-Ballon aus Japan bestellt werden musste, da entsprechende Produkte in Deutschland nicht hergestellt werden.

Lange Zeit bereitete das widrige Wetter am Freitag den sechs Projektteilnehmern Kopfzerbrechen: böige Winde hätten den Ballon zu stark abtreiben lassen können, Dauerregen und darauf folgende Minustemperaturen hätten durch Eisbildung ein zu frühes Platzen des Ballons bewirken können. Dass der Start stattfinden musste, stand jedoch fest: Nur für den Freitag zwischen 11 Uhr und 13 Uhr hatte die Flugsicherung Langen Startgenehmigung erteilt. Also hofften und fieberten Schüler und Gäste, darunter Wetzlars Oberbürgermeister Wolfram Dette und der FDP-Landtagsabgeordnete Dr. Matthias Büger, gemeinsam und sahen schließlich erleichtert den Ballon in die zuvor von den Schülern berechnete Richtung aufsteigen.

Gemäß Plan sollte der Ballon in über 30 Kilometern Höhe platzen, da sich das Helium dort durch den sinkenden Außendruck immer weiter ausbreitet. An zwei Fallschirmen sollte die Kapsel dann zu Boden schweben, ein GPS-Tracker sowie ein GSM-Sender die Landeposition an die Schüler übermitteln, damit diese das Modul dann wieder einsammeln könnten. Man rechnete am Freitagmittag mit einem Auftreffpunkt etwa 90 Kilometer südwestlich von Wetzlar – irgendwo zwischen Wiesbaden und Koblenz.

Vor dem Start hatte Oberbürgermeister Dette in einer kurzen Ansprache die Leistung der Schüler gewürdigt. Das Projekt erfordere enormen technischen Verstand und gehe weit über den herkömmlichen Unterricht hinaus. Er betonte auch die Verbindung von Theorie und Praxisbezug, die gerade in Wetzlar als Standort dualer Studiengänge eine große Rolle spiele. „Die Goetheschule zeigt sich in Bestform, trotz schwieriger räumlicher Bedingungen", sagte Dette.

Dieter Grebe, Leiter der Goetheschule, hatte zuvor den Gästen für ihre Anwesenheit gedankt. Sie sei eine Wertschützung der Arbeit der Schüler. Auch er betonte, das Projekt zeige, dass das Kollegium des Oberstufengymnasiums trotz widriger Rahmenbedingungen fortfahre, die Schüler zu fördern.

Die ausgewerteten Daten sowie Bilder von der am Wetterballon befindlichen Kamera werden demnächst auf der Homepage bereitgestellt werden.

Fotos:

1. Startvorbereitungen bei widrigen Wetterbedingungen: (von links): Jonas Faber, Frederik Otto, Patrick Löffler, Fabian Tripkewitz, Jan Fotakis, Sarah Wojcik und Jana Vollmer.

2. Trotz Dauerregen und böigem Wind klappte der Start des Wetterballons.

3. Angespannte Gesichter bei den letzten Vorbereitungen: (von links) Fabian Tripkewitz, Jan Fotakis und Jonas Faber.

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