Heidrun Michael-Noack verabschiedet sich nach 37 Jahren in den Ruhestand

Vermutlich jeder, der in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten die Wetzlarer Goetheschule besuchte, der kannte auch sie. Sie war das Gesicht der Mediothek an Wetzlars Oberstufengymnasium. Sie hatte alles im Griff, wenn es um Freihandbereich, Magazin und Buchausleihe ging. Jetzt nach fast 37 Jahren Einsatz für Schülerschaft, Kollegium und Lahn-Dill-Kreis verabschiedete sich Heidrun Michael-Noack in den Ruhestand.

Kaum verwunderlich also, dass Schulleiterin Annette Kerkemeyer von einem „einschneidenden Tag in der Geschichte der Mediothek“ der Goetheschule sprach. Gemeinsam mit VertreterInnen des Personalrats und des Kollegiums, des Lahn-Dill-Kreises sowie den ehemaligen Schulleitern Martin Daus und Dieter Grebe blickte sie im Rahmen einer kleinen Abschiedsfeier auf Heidrun Michael-Noacks Verdienste und Engagement für Wetzlars Oberstufengymnasium zurück und dankte ihr für ihren unermüdlichen Einsatz für die Goetheschule.

Dabei sahen die Pläne der langjährigen Bibliothekarin zunächst gänzlich anders aus, wie Annette Kerkemeyer berichtete. Geboren in Nordrhein-Westfalen zog Michael-Noack im Alter von zehn Jahren nach Hessen und fasste nach dem Ende ihrer Schulzeit eigentlich den Plan, Design zu studieren. Da sich das zur damaligen Zeit nicht verwirklichen ließ, blätterte sie im Studienführer und blieb bei ihrer ersten großen Liebe stehen: Bücher! So entstand der Entschluss, das Studium zur Bibliothekarin aufzugreifen, allerdings sollte dieser ins öffentliche Bibliothekswesen führen – wegen des Publikumsverkehrs. Eine Schulbibliothek, da war sich Heidrun Michael-Noack sicher, kam auf gar keinen Fall in Betracht. Grund hierfür seien nicht zuletzt „traumatische Erlebnisse im Praktikum an einer Mittelstufenschule“ gewesen, wie die Anwesenden augenzwinkernd erfuhren.

Erneut hatte das Schicksal jedoch andere Pläne. Nach dem Abschluss des Studiums in Koblenz folgte das Angebot einer Stelle an einer Oberstufenschule in Wetzlar, der Goetheschule. Es war wohl die Aussicht auf die ältere und potentiell reifere Schülerschaft, die Michael-Noack zu der nüchternen Entscheidung kommen ließ: „Es wird wohl gehen.“

So trat sie also 1986 die Stelle an, die sie fast vier Jahrzehnte lang innehaben und prägen sollte. Die Position brachte zahlreiche Herausforderungen mit sich, angefangen bei der Tatsache, dass es niemanden gab, der Michael-Noack hätte einarbeiten können. Digitalisierte Datenerfassung gab es damals selbstverständlich noch nicht, alles funktionierte mit Karteikarten, Schreibmaschine und doppeltem Durchschlag. Erste Schritte hin zur digitalen Bibliothekskartei erfolgten in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre, zunächst basierend auf MS-DOS, später Windows.

Die nächste große Herausforderung war der durch die Umstellung auf G8 bedingte Doppeljahrgang an der Goetheschule. Die zu bewältigenden Bücherberge seien auch physisch eine Anstrengung gewesen, erinnerte sich Michael-Noack und dankte allen, die damals mit angepackt haben.

Ab 2004 erfolgte im Lahn-Dill-Kreis der Aufbau des Informations- und Mediennetzwerks an Schulen (IMeNS) als Pilotprojekt. Als Vertreterin der Schulform Gymnasium leistete Heidrun Michael-Noack hierbei wertvolle Mitarbeit und Unterstützung, sagte Simone Vetter, Fachdienstleiterin des Medienzentrums beim LDK. So übernahm sie etwa die zentrale Zeitschriftenkatalogisierung für alle Zweigstellen des IMeNS-Verbundes. Hierfür und für ihre gesamte engagierte Arbeit für den Medienverbund und die Schulen dankte ihr Vetter.

Ruhiger wurde es dann ab dem Jahr 2018, als die Goetheschule aufgrund des bevorstehenden Abrisses an den Standort Bergstraße umzog. Zwar existierte die Mediothek an der Frankfurter Straße noch immer, sie wurde aber immer seltener als Arbeits- und Aufenthaltsort genutzt. Stattdessen diente sie jetzt unter anderem als Lagerraum, auch für Akten und Musikinstrumente.

Letztes Kapitel einer langen Geschichte war die Eröffnung der modernen Mediothek im Neubau der Goetheschule 2021. Auch hier war der Beginn keineswegs einfach: Nicht nur musste der Bestand aufgrund des jetzt kleineren Magazins ausgedünnt werden, auch fehlten anfangs Internet und Telefon. Doch einmal mehr funktionierte die Buchausleihe unter Michale-Noacks Regie wie gewohnt, auch durch die Unterstützung des Kollegiums. Für Heidrun Michael-Noack sei es ein wunderbarer Moment gewesen, als sie sah, dass die Schulgemeinde die neue Mediothek als Arbeitsort entdeckte und annahm, was sie auch als Dank an ihre Arbeit verstehe.

Personalratsvertreter Holger Sturm sagte, Michael-Noack sei es stets wichtig gewesen, dass in der Mediothek in Ruhe gelesen, gedacht und gearbeitet werden konnte. Um dies zu gewährleisten habe sie sich auch gegen größer gewachsene Schüler durchgesetzt. Abseits der Arbeit habe die Bibliothekarin immer wieder durch viele Interessen und Talente überrascht, ihre Kollegialität habe sie bei der Teilnahme an Kollegiums-Ausflügen gezeigt. Sturm dankte ihr dafür, „dass sie 37 Lebensjahre in das Kapital der Goetheschule investiert haben.“

Heidrun Michael-Noack sagte, sie sei häufig gefragt worden, warum sie schon jetzt – zwei Jahre vor dem eigentlichen Renteneintritt – gehe. Sie habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sich letztlich aber für die hinzugewonnene Freiheit entschieden: Die Freiheit, anderen Hobbies und Interessen nachzugehen, etwa der Musik, dem Design oder dem Schaffen eigener Graphic Novels. Dazu gehöre aber auch die Freiheit, als Gast an der Goetheschule vorbeizuschauen. „Sang und klanglos“ wollte Heidrun Michale-Noack die Schule aber nicht verlassen, wie sie selbst sagte. Als Souvenir zum Mitnehmen für alle Interessierten hinterließ sie einen Korb mit selbstgestalteten Lesezeichen. Am Tresen in der Mediothek der Goetheschule – da, wo man sie fast 37 Jahre lang antraf.

 

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