Einladung der Stadt zu Vortrag über die Entstehung des „Elysée-Vertrags“

„Freundschaft lässt sich nicht vertraglich regeln“ sagte der Mainzer Journalist und Politologe Ingo Espenschied, und räumte deshalb auch mit dem Missverständnis auf, dass den „Elysée-Vertrag“ oft als „Deutsch-französischen Freundschaftsvertrag“ bezeichnet. Wörtlich nämlich regelt der Vertrag aus dem Jahr 1963 die „deutsch-französische Zusammenarbeit“.

Warum es vor 60 Jahren zum Abschluss des Vertrags kam und wie dieser trotz anders lautendem Namen doch zur deutsch-französischen Freundschaft beitrug, davon berichtete Espenschied Schülerinnen und Schülern der Goethe-  sowie der Eichendorff-Schule jetzt in einem kurzweiligen Vortrag.

Das Kulturamt der Stadt Wetzlar hatte den Vortrag im Bürgerhaus Steindorf organisiert und dazu die städtischen Schulen eingeladen, Transfer in eigens bereitgestellten Bussen inbegriffen. Anlass war die Tatsache, dass sich die Unterzeichnung des auch für Wetzlar bedeutsamen Vertrags – man denke nur an die Partnerschaft mit Avignon – am 22. Januar zum 60. Mal jährte.

Um die Bedeutung des „Elysée-Vertrags“ deutlich zu machen, holte Espenschied zunächst weiter aus. Zurück bis in die Zeit der Karolinger ging die Reise, als die Söhne Karls des Großen dessen Reich unter sich aufteilten und somit den Grundstein für die deutsch-französische Rivalität legten. Der historische Exkurs streifte weiter die napoleonische Zeit, den deutsch-französischen Krieg von 1870/71, das Deutsche Kaiserreich und zwei Weltkriege mitsamt der sich verschlechternden Beziehungen zwischen beiden Nationen, bevor der Vortrag das Kernthema – die Versöhnung zwischen den „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich erreichte.

Espenschied bot seinem Publikum Einblicke in die Biografien und Denkweisen der beiden Hauptakteure hinter der Vertragsunterzeichnung, Charles de Gaulle und Konrad Adenauer. Dazu gehörte etwa, dass de Gaulle die „Sprache des Feindes“, also Deutsch, bereits in der Schule lernte und das Land auf Schüleraustauschen oder in Kriegsgefangenschaft kennenlernte.

Der Referent informierte über das erste Treffen der beiden Politiker 1958 in Bad Kreuznach oder die anfängliche Ablehnung des Schuman-Plans durch de Gaulle, bevor er mit dem privaten Treffen Adenauers und de Gaulles auf dem privaten Landsitz des französischen Präsidenten in der Champagne einen Höhepunkt des Vortrags erreichte. Es war Frankreichfreund und –kenner Espenschied ein Anliegen, durch das Eingehen auf private Momente und persönliche Motive der Handelnden die Absicht hinter der deutsch-französischen Aussöhnung verständlich zu machen, die letztlich im „Elysée-Vertrag“ gipfelte. Dass dabei aus historischer Perspektive die ein oder andere kritische Bemerkung fehlte, beeinträchtigte die Unterhaltsamkeit des Vortrags nicht.

Stattdessen erfuhren die Gäste, warum der „Elysée-Vertrag“ nicht auf traditionellem deutschem Vertragspapier verfasst und mit einer schwarz-rot-goldenen Kordel aus einem Pariser Geschenkeladen versehen ist. Natürlich ging es auch um Inhalte, etwa die Vereinbarung regelmäßiger Treffen beider Kabinette, eine Tradition, die bis in die heutige Zeit fortgeführt wird. Jenseits der politischen Ebene betonte Espenschied aber auch die sich stetig vertiefende Annäherung beider Zivilgesellschaften, etwa durch Schüleraustausche, Städtepartnerschaften oder die Gründung des deutsch-französischen Jugendwerks.

Im an den Vortrag anschließenden Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern war es Espenschied ein Anliegen, die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu betonen, insbesondere in den momentanen Zeiten, in denen diese mitunter ein wenig angespannt zu sein scheint. Er forderte das junge Publikum auf, Möglichkeiten zu Kontakten und Austauschen zu nutzen, um das Nachbarland und dessen Bewohner persönlich kennenzulernen und somit vielleicht selbst ein weiteres Kapitel der deutsch-französischen Freundschaft zu schreiben.

 

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